89. Tag 17.8. Waldkirchen — Waldhäuser


Schon um 6 Uhr stand ich auf, und um 845 Uhr hat mich bei der Visite der Arzt wieder entlassen. Ich war froh darüber. Nachdem ich mich verabschiedet hatte und Ludwig und German noch meine Adressen gelassen hatte, ging ich zum Bahnhof, und um 1053 Uhr fuhr ich mit der Bahn von Waldkirchen nach Freyung. Dort mußte ich bis 12 Uhr auf den Bus nach Mauth warten. Um 13 Uhr war ich in Mauth, und jetzt wanderte ich allein den Weg über den Lusen nach Waldhäuser, wo die anderen heute Abend auch sein wollten. Als ich etwa eine halbe Stunde gegangen war, fing es tüchtig an zu gießen. Da ich aber sehr gutes Regenzeug mithatte, brauchte ich mich nirgends unterzustellen, sondern konnte weitergehen. Nach ca. 10 Min. war der Schauer auch wieder vorbei.

Jetzt, da ich allein durch den Wald ging, konnte ich ihn erst rüchtig er= fassen. Die Einheimischen sagen zum Bayerisch – Böhmischen Wald kurz der Wald und nennen sich selbst die Waldler. Bis vor kurzem kannten selbst die Bayern nur wenig dieses weit abseits der großen Verkehrswege gelegene Gebiet. Nur selten verirrte sich jemand in diese Wildnis. In den letzten Jahren hat sich das zwar etwas geändert, aber immernoch sind die schlecht zugänglichen Gebiete nur zu Fuß zu erreichen. Die in letzter Zeit gebauten Verkehrswege lassen zwar selbst Omnibusse bis tief ins Innere des Bayerischen Waldes vordringen, aber viel können diese Straßen und der gesteigerte Fremdenverkehr dieser großartigsten deutschen Waldlandschaft so bald nichts anhaben. Die Wälder und Berge sind dazu zu gewaltig, und nur dem Fußwanderer werden auch künftig einsame von Latschen bewachsene Felshänge, Urwalddickichte und verwunschene Moosmoore zugänglich sein. Wenn man die markierten Wege meidet, kann man dort tagelang umherwandern, ohne einem Menschen zu begegnen. Von lieblicher und anmutiger Waldlandschaft, wie z.B. der Harz, kann man hier nicht sprechen. Die weitgeschlungenen düsterbewaldeten Gebirgszüge beherrschen die Landschaft. Sie geben ihr die sich nie ins Kleinliche verlierende Weiträumigkeit, den Ernst und die Schwermut. Der Wald ist nicht leicht zu erschließen, da er sehr abweisend und unzugänglich ist. Der ganze Horizont besteht aus endlosen bewaldeten Höhenzügen. Nach meinen Betrachtungen über den Bayerischen Wald ging ich dann wieder weiter. Eine herrliche Ruhe herrschte um mich her, und der Wald leuchtete in seinem schönsten Grün. Ich schritt dann wieder tüchtig aus, und nach 2 Stunden, um 15 Uhr, war ich bereits auf dem 1373 m hohen Lusen, wo ich die anderen 3 wiedertraf. Die wußten ja nichts davon, daß ich schon wieder aus dem Krankenhaus raus war und waren besonders erstaunt, daß ich ihnen so schnell gefolgt und sie so schnell wieder eingeholt hatte. Das Gepäck hatten sie in dem Unterkunftshaus abgelegt, wo sie schon eine Weile gesessen hatten und mit den Mädchen, deren Führerin mir am Vortage die Tabletten gegeben hatte, gesungen. Dann zogen wir gemeinsam weiter. Der Wanderweg führte uns über den steinigen Gipfel des Lusen.

Dort oben haben wir nochmal eine herrliche Aussicht genießen wollen und eine kurze Rast gemacht. Wir warteten darauf, daß wir mal einen schönen Blick auf die umliegenden Berge werfen konnten. Die Wolken zogen so tief, daß wir nicht einmal aus 5 m Entfernung zu fotografieren wagen wollten. Außerden war es, sowie eine Wolke auf den Gipfel zu kam, recht kühl. Aber zwischen den einzelnen Wolkenfetzen fanden sich doch einige Lücken, durch die wir durchsehen konnten. Die Mädchen waren bereits wieder weitergegangen. Wir folgten dann auch bald. Es ging wieder steil bergab über das Teufelsloch zur Martinsklause. Hier hatten wir die Mädchen eingeholt gehabt, die hier gerastet hatten. Sie waren demnach doch ziemlich schnell gegangen! Nun gingen sie wieder weiter, und wir rasteten und sangen einige Lieder. Die Martinsklause ist ein kleines aufgestautes Gewässer und liegt wunderbar unterhalb vom Teufelsloch, von dichtem Wald umgeben. Die Sonne war wieder voll hervorgekommen, und es war eine Wohltat, dort am Wasser zu sitzen. Der Lusen und die anderen Berge blieben aber in den Wolken.

Dann machten wir uns auf zur Jugendherberge. Als wir dort ankamen, waren die Mädchen natürlich schon da. Aber wir wollten unsere Wanderzeit ja hauptsächlich in der Natur und nicht in der Jugendherberge verbringen, weshalb wir auch stets danach trachteten, nicht zu früh in den Jugendherbergen anzukommen. Waldhäuser liegt in etwa 1020 m ü. NN.

In der Jugendherberge gab es, nachdem wir uns angemeldet und mit den Mädchen auf der Terrasse noch gesungen und erzählt hatten, ein sehr gutes Abendessen, „Scheiterhaufen“ genannt.

Nach dem Abendessen erlebten wir auf der Terrasse wieder einen sehr schönen Sonnenuntergang. Anschließend luden uns die Mädchen ein, mit ihnen zu gehen, sie wollten sich von innen aufwärmen, da nach dem Sonnenuntergang die Temperatur auf 14°C gesunken war. Wir tranken jeder ein Glas Glühwein, und um 22 Uhr waren wir bereits in den Betten.